Geht feministisch daten? Es gibt da diesen Spruch: „Kommunismus endet bei 2.500 Euro netto, Atheismus, wenn das Flugzeug vibriert und Feminismus hat ein Ende, wenn der Richtige kommt…“ Das mag lustig sein (oder auch nicht), aber wahr ist es zum Glück kein bisschen. Zumindest, was den Feminismus betrifft, kann man ganz klar sagen: Der kommt mit „dem oder der Richtigen“ erst ordentlich in Fahrt! Und kein Date ist so spannend wie eines mit zwei Protagonist*innen, die sich aufrichtig für ihr Gegenüber interessieren. Meinungsverschiedenheiten eingeschlossen.
Eierlegende Wollmilchsäue wollen wir weder sein, noch daten
Wie ist das eigentlich, wenn man schon vor dem Date weiß, was man von einer Beziehung erwartet? Muss man direkt die Karten auf den Tisch knallen und mal von vornherein Bescheid sagen, dass das hier nur funktionieren kann, wenn das Gegenüber nichts von patriarchischen Strukturen hält, sich für Gleichwürdigkeit stark macht und gerne mindestens die Hälfte der Elternzeit für die in zehn Jahren eventuell mal entstehenden Kinder übernimmt?
Natürlich nicht!
Gerade weil wir so genau wissen, was wir wollen, was wir nicht wollen und was uns wichtig ist im Leben, ist es richtig und wichtig, den oder die andere*n so wahrzunehmen und anzunehmen, wie er oder sie ist. Ob sich daraus dann mehr ergibt, steht dann ja auf einem ganz anderen Blatt. Aber darum geht es ja primär auch gar nicht. Es geht ja erst einmal darum, sich kennenzulernen.
Es geht beim feministischen Daten viel mehr um das „Wie“ als ums „Was“
Stell Dir vor, die Rechnung wird gebracht, der Mann nimmt sie schnell an sich und legt diskret seine Kreditkarte auf den Tisch. „Das geht natürlich auf mich!“, sagt er mit einem freundlichen Lächeln. Natürlich, denn er ist schließlich der Mann…
Was wie ein Alptraum jeder selbstbestimmten und selbstbewussten Frau klingt, kann eine großartige Chance sein! Denn genau hier ist der Moment gekommen, in dem das Date an Tiefe gewinnen kann, wenn Ihr darüber ins Gespräch kommt, warum er das so selbstverständlich findet und warum Du dazu eine ganz andere Meinung hast. Und schon befindet Ihr Euch in dem Gewässer, in dem Ihr Euch bewegen würdet, wenn Ihr ein Paar wärt. Denn egal, wie perfekt ein*e Partner*in zu Dir passen mag, immer einer Meinung werdet Ihr (hoffentlich) nicht sein. Und wenn es noch so unpassend war, dass er die Rechnung genommen hat als sei es seine männliche Pflicht: Vielleicht zeigt er genau hier, wie gut er zuhören und verstehen kann. Wie interessiert er an Deinen Ansichten ist. Wie sehr er bereit ist, seine Meinung zu überdenken. Oder dass er einfach nur gerne bezahlen wollte und zwar nicht, weil er der Mann ist.
Feministisch daten? Alles eine Frage der Haltung
Letzten Endes geht es nicht darum, bei einem Date immer einer Meinung zu sein. Das wäre ein sehr wackeliges Gerüst für eine langfristige Beziehung. Es geht darum, eine Haltung zu erspüren und zu sehen, wie gut man miteinander ins Gespräch kommt über Themen, die einem am Herzen liegen. Ist da ehrliches Interesse für die Meinung der oder des Gegenübers? Ist da die Bereitschaft, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten? Und schafft ihr es, gemeinsam auszuhalten, für diesen Moment auch mal nicht auf einen Nenner zu kommen und trotzdem die Meinung der oder des anderen zu respektieren? Wenn das so ist, dann kann so viel gar nicht schief gehen. Denn DAS ist es ja letztendlich, für was wir einstehen wollen: Für Begegnungen auf Augenhöhe, für gleichwürdig geführte Diskussionen, für Meinungsvielfalt und Diversität. Wir brauchen keine Ja-Sager, Abnicker und Vorzeigefeminist*innen an unserer Seite. Wir brauchen Partner*innen, die mit uns wachsen wollen. Denn das ist es, was die Liebe so wunderbar macht. Und dafür muss man so manche Diskussion eben führen. Zum Glück nicht alle beim ersten Date…
Alltagsfeministische Grüße,
Deine Johanna
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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