Eine Anleitung für ein Gespräch über den Abschluss eines Partner:innenschaftsvertrags
Man navigiert als unverheirateter Mensch in eine Art rechtsfreien Raum.
- Was, wenn eine Person im Krankenhaus besucht werden muss?
- Was geschieht bei der Trennung?
Und für den Alltag des Zusammenlebens viel relevanter:
- Wie gehen wir mit dem Geld um?
- Wie mit dem Verdienst?
Wenn dann noch Kinder ins Spiel kommen, geht es neben der wachsenden Verantwortung für das Kind auch um ein Aushandeln der Verantwortung füreinander, denn die unbezahlte Fürsorgearbeit ist für das Leben der Familienmitglieder ebenso existentiell wie der Brotverdienst. Nur, wie wollen nicht verheiratete Eltern im Fall der Scheidung dann mit der meist ungleich großen Rentenlücke umgehen?
Welche Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit ist nach einer Trennung fair?
Fairness nur mit Ehevertrag? Nein!
Verdienst- und Rentenlücke lassen sich auch ohne die Gesetzesgrundlage der Ehe ausgleichen.
Ehe- und Partnerschaftsverträge sind so vielfältig und individuell wie Partnerschaften selbst. Jeder Einzelfall ist anders und die damit verbundenen Fragen können komplex sein und/oder sich immer wieder neu stellen, zum Beispiel, weil sich eure Lebenssituation geändert hat.
Deshalb rate ich dazu, ganz konkret und in einer wertschätzenden Atmosphäre über eure Wünsche und Vorstellungen zu sprechen und euch juristisch beraten zu lassen. Den nachfolgenden Impuls habe ich deshalb auch in die Hände einer Expertin für Familienrecht gelegt: Er stammt von der Rechtsanwältin Birte Strack, deren Arbeit ich sehr schätze. Sie und ihre Kolleg:innen unterstützen Paare bei einer rechtswirksamen Umsetzung und der Verhandlung von Details. Denn eins ist klar: Verhandeln darf man auch mit den Liebsten.
Anders eingebunden, weil es ja hier eher nicht oder gerade nicht nur um die Frage, „Wie regele ich das im Scheidungsfall?“ geht.
1. Macht es Euch hübsch
Ein Ehe- oder Partnerschaftsvertrag ist durchaus romantisch, da beide Vertragspartner:innen sich jeden Tag aufs Neue für ihre Partnerschaft entscheiden können, anstatt aus Abhängigkeit beieinanderbleiben zu müssen.
Eine Trennung oder Scheidung, die natürlich hochstrittig werden kann, ist nur ein Szenario, für das ihr einen solchen Vertrag braucht. Ihr braucht ihn genauso als solide partnerschaftliche Basis, in der euer beider Interessen gleichberechtigt anerkannt und festgeschrieben werden. Außerdem sollten Paare, die sich gegen eine Ehe entscheiden, dieselben Rechte haben wie Verheiratete.
2. Ein Gespräch – 3 Eckpfeiler
Um etwas Struktur in euer Gespräch zu bekommen, empfehle ich die Orientierung an den vier großen Themen des Familienrechts: Güterrecht, Kindschaftssachen, Unterhalt und Versorgungsausgleich.
Passende Fragen hierzu könnten zum Beispiel so aussehen:
Eckpfeiler Güterrecht
- Sollen beide Partner:innen vom Vermögensaufbau des jeweils anderen profitieren? Wenn ja, für welchen Zeitraum?
- Soll das für einzelne Vermögensgegenstände, wie Unternehmensanteile oder Immobilien, nicht gelten? Warum?
- Wie können diese Nachteile ausgeglichen werden? Warum sollen Nachteile nicht ausgeglichen werden? Ist das für beide fair?
- Ist das Vermögen zum Zeitpunkt der Heirat bekannt? Gibt es eine gesicherte Aufstellung?
Eckpfeiler Kindschaftssachen und Unterhalt
- Sind gemeinsame Kinder geplant?
- Wie soll die Betreuung bis zum Abschluss der Grundschule grob aussehen? Wie viel soll durch Dritte und wie viel durch die Eltern selbst betreut werden? Was gilt bei einer Trennung?
- Soll die Gesamtarbeitszeit (Erwerbsarbeit + Care-Arbeit) und das Gesamteinkommen hälftig geteilt werden?
- Wie kann ein anderer finanzieller Ausgleich für ungleiche Verteilung von Care-Arbeit aussehen? Warum ist ein Ausgleich ausnahmsweise nicht notwendig?
- Auf wie viele Stunden wird der zeitliche Aufwand für die Care-Arbeit geschätzt? Wie viele Stunden Erwerbsarbeit müssen erbracht werden, damit ausreichend Einkommen erwirtschaftet wird?
- Welche Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit ist nach einer Trennung fair?
- Wie werden verpasste Karrierechancen des überwiegend betreuenden Elternteils ausgeglichen?
Eckpfeiler Versorgungsausgleich
- Betreiben beide Partner:innen Altersvorsorge im engeren Sinn oder in Form von Vermögensaufbau?
- Soll während der Erziehungszeiten in eine zusätzliche Altersvorsorge investiert werden?
- Soll dem unverheirateten betreuenden Elternteil freiwillig Vorsorgeunterhalt gezahlt werden?
Ich habe natürlich eine “Alltagsfeministinnen” Podcast-Empfehlung zum Thema: Wilde Ehe – Wie ein Partnerschaftsvertrag Sicherheit gibt
Steffi will ihren neuen Partner finanziell nicht ruinieren. Sie fragt sich nur, was kann ich fordern, habe ich überhaupt Rechte?
Eure
Johanna
-
Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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