Stutenbissigkeit – so nennt man in der Verhaltensbiologie das Aggressionsverhalten zwischen weiblichen Pferden. Das Beißen dient zur Bestimmung der Rangordnung in einer Herde. Von „Stutenbissigkeit” ist aber auch abwertend die Rede, wenn sich Frauen in Konkurrenz befinden und ihre Konflikte offen austragen. Hallo Geschlechterrollen-Stereotype!
„Haben Frauen Auseinandersetzungen miteinander, unterstellen Männer ihnen schnell ein unnötig destruktives Verhalten. Auseinandersetzungen gibt es aber genauso häufig unter Männern”, sagt Linda Becker im Zeit-Interview. Sie ist Gesellschafterin bei der LAB Company und hat als Headhunterin langjährige Führungserfahrung gesammelt.
Auch bei Konflikten unter Männern muss eine Tiermetapher dran glauben. Da ist es der Hahnenkampf. Ein Wettbewerb, bei dem zwei Hähne aufeinander losgelassen werden und auf den Sieger gewettet wird. Dieses Spektakel basiert auf dem natürlichen Aggressionstrieb des Hahns, sich gegenüber seinen Artgenossen durchzusetzen.
Konkurrenzkampf von Frauen
Frauen wird ja gern ein besonders soziales Verhalten zugeschrieben. Frauen seien insgesamt teamfähiger. Und trotzdem gibt es die Klischees um Stutenbissigkeit und Zickenkrieg. Gerade im Job. Aus psychologischer Sicht ertragen Frauen einen Streit oft stiller und warten lange, bis sie überhaupt in die Konfrontation gehen. Wartet man zu lange und staut Emotionen auf, kann es schon mal eskalieren.
Die Management-Etagen vieler Unternehmen sind schließlich immer noch überwiegend in Männerhand. Ist es da nicht logisch, dass um den wenigen Platz unter Frauen erbittert gekämpft wird? Klar, Konkurrenz belebt das Geschäft.
Oder müssten Frauen nicht gerade deshalb zusammenhalten und sich gegenseitig empowern, einander Mentorinnen sein? Sind wir zusammen nicht viel stärker? Man stelle sich vor, man geht beim Tauziehen ans Seilende der Konkurrentin und zieht gemeinsam… Zumindest wenn man das gleiche Ziel verfolgt, macht das doch Sinn oder etwa nicht?
Woher kommt also dieses Buhlen unter Frauen und wie schaffen wir es, uns gegenseitig zu unterstützen?
Der Jane-Austen-Moment – ein kulturhistorischer Einblick
Historisch gesehen wurden Frauen oft als Konkurrentinnen betrachtet, wenn es um knappe Ressourcen wie Bildung, Arbeitsplätze oder soziale Anerkennung ging.
Frauen als Gegnerinnen sind das Ergebnis sozialer und historischer Umstände. Jahrhundertelang waren Frauen von der Gunst der Männer abhängig. Sie mussten heiraten, um zu überleben. Sie mussten von einem Mann „auserwählt” werden. Das war nicht nur eine Aschenputtel-Fantasie, sondern eine gesellschaftliche Realität.
Zu Lebzeiten der britischen Schriftstellerin Jane Austen (1775-1817) zum Beispiel war eine gute Heirat die einzige Möglichkeit für eine junge Frau, sich eine Stellung in der Gesellschaft zu sichern. Andernfalls war sie ihr Leben lang von der Großzügigkeit wohlhabender Verwandter abhängig.
Als scharfe Beobachterin ihrer gesellschaftlichen Schicht kommentierte Jane Austen die Lage junger lediger Frauen im gehobenen ländlichen Bürgertum, der „Gentry“. Zum Beispiel in „Pride and Prejudice“ („Stolz und Vorurteil“) oder „Sense and Sensibility“ (oft übersetzt mit „Sinn und Sinnlichkeit“). Die Romanheldinnen befinden sich im Zwiespalt, die gesellschaftliche „Pflicht“ der Heirat zu erfüllen und trotzdem die Liebe zu finden.
Das ist der tragische Jane Austen Moment: wenn ein Mister Darcy oder ein Mister Bingley mit der Kutsche vorfahren und aus unverheirateten Schwestern plötzlich Konkurrentinnen werden. Frauen, die durch das Patriarchat gezwungen werden, den an männliche Erben gebundenen Besitz von Land und Ressourcen zu sichern. Wie hätten sie sich verhalten, wenn sie dazu nicht gezwungen gewesen wären? Oder anders gefragt: Hätte es dann überhaupt einen Konkurrentinnenkampf unter Schwestern gegeben?
Jane Austen selbst heiratete übrigens nie.
Schulhofweisheit: Männliche Aufmerksamkeit ist erstrebenswert
Die Sittenromane der heutigen Zeit spielen im Trash-TV, wenn 23 Frauen unter der Sonne Mexikos um das Herz des „Bachelors” buhlen und sich gegenseitig herabwürdigen. Aber es gibt ja auch die Bachelorette, um die verschiedene Männer buhlen, oder die queeren Versionen – Männer, die um einen Mann kämpfen, Kandidatinnen um eine Frau. Immer geht es um Konkurrenz. Ums Gewinnen. Oder zumindest ums Gefallen.
Ich bin als Jugendliche noch mit der Binsenweisheit „Was sich neckt, das liebt sich“ aufgewachsen. Hartnäckig hält sich diese Art der weiblichen Sozialisierung, dass es irgendwie „normal” ist, sich von männlichen Altersgenossen herabwürdigend lassen zu müssen. Sie wüssten es schließlich nicht besser. Wenn Jungen Mädchen hänseln oder sie an den Haaren ziehen, sei das gefälligst als Kompliment und Zeichen der eigentlichen Zuneigung aufzufassen. Die Schulhofweisheit lautet: Männliche Aufmerksamkeit ist auf jeden Fall erstrebenswert, egal, wie blöd die Pick-Up-Line ausfällt.
Angesichts solcher Misogynie könnten sich die Mädchen und Frauen dieser Welt nun erst recht vereinen und sagen: So nicht! Nicht mit uns! Anstatt in Konkurrenz miteinander zu treten, könnten Frauen zusammenhalten.
So machen es im Tierreich die Löwinnen. Ihr soziales System ist in der Tierwelt einzigartig. Die Weibchen eines Rudels werden etwa zur selben Zeit trächtig und ziehen ihre Jungen gemeinsam auf, während bei Hyänen, Meerkatzen oder Mungos meist eine Anführerin den Nachwuchs ihrer Untergebenen kontrolliert oder gar dezimiert.
Das Zusammenhalten der Löwinnen – auch gegenüber den männlichen Löwen, die gerne fremde Löwenkinder töten, um mit deren Müttern selbst Nachwuchs zu zeugen – hat den Vorteil, dass das Rudel so weitaus mehr Nachwuchs durchbringt, als einzelgängerische Arten.
Weniger Konkurrenzkampf im Matriarchat?
Während es im Tierreich verschiedene Arten gibt, die sozial von den Weibchen dominiert werden – zum Beispiel Bonobos, Elefanten oder Bienen – ist für mich als Anthropologin die Frage spannend, ob es bei den Menschen wiederum schon immer das Patriarchat gab, (das, wie oben erläutert, die Konkurrenz im Überlebenskampf der Frauen offenbar mit befeuerte) oder ob in prähistorischen Gesellschaften möglicherweise eine Form des Matriarchats existierte.
Denn einige Forschende sehen Hinweise auf matriarchale Strukturen in einigen frühen Kulturen und indigenen Gruppen in Nord- und Südamerika, bei denen die Tradition des Mutterrechts herrschte – Eigentum und soziale Identität also durch die weibliche Linie vererbt wurden. Ähnlich ist es bei den Minangkabau auf der Insel Sumatra in Indonesien. Die Minangkabau werden oft als Beispiel für eine matriarchale Gesellschaft genannt. Hier erben Frauen Land und Eigentum, und die Familienlinie wird entlang der mütterlichen Linie verfolgt.
Mit über drei Millionen Angehörigen sind die Minangkabau die größte noch existierende matrilineare Kultur weltweit.
In Theorien, die die Existenz von Matriarchaten postulieren, wird oft argumentiert, dass in solchen Gesellschaften weniger Konkurrenzkampf und mehr Solidarität unter Frauen herrsche. Diese These beruht auf der Annahme, dass in matriarchalen Gesellschaften Wertesysteme bestehen, die von Kooperation, Fürsorge und Empathie geprägt sind, anstatt von Konkurrenz, aggressivem Wettbewerb, Dominanz und Hierarchie.
Die Existenz von Matriarchaten in der Menschheitsgeschichte ist jedoch ein umstrittenes Thema in der Forschung. Viele Betrachtungen vergangener Kulturen basieren lediglich auf Interpretationen von mythologischen Erzählungen, ethnographischen Beobachtungen und begrenzten archäologischen Beweisen.
#metoo: Solidarität unter Frauen
Doch ob Patriarchat oder Matriarchat – die gute Nachricht ist – es gibt sie, die Solidarität unter Frauen! Was Frauen erreichen, wenn sie zusammenhalten, zeigte zum Beispiel
die Suffragettenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts, die sich für das Frauenwahlrecht einsetzte.
Trümmerfrauen
Ein weiteres Beispiel für weibliche Solidarität sind die Trümmerfrauen nach Ende des 2. Weltkriegs. Ihre gemeinschaftliche Beteiligung am Wiederaufbau des Landes ist inspirierendes Beispiel für den Zusammenhalt von Frauen. Die Trümmerfrauen haben gezeigt, wie Frauen in der Lage sind, sich in schwierigen Situationen zusammenzuschließen, um gemeinsam positive gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen.
Sexarbeiterinnen
Die Geschichte lehrt uns viele solcher Beispiele. So auch der sogenannte „Hurenaufstand” in Frankreich in den 1970er Jahren. Frankreichs Prostituierte wurden damals durch wachsenden polizeilichen Druck immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt und mussten ihrer Tätigkeit im Verborgenen nachgehen. Als Gewalttaten gegen Sexarbeiterinnen zunahmen, zwei Morde passierten und die Regierung trotzdem nichts unternahm, traten 150 Prostituierte in den Streik. Am 2. Juni 1975 besetzten sie eine Kirche in Lyon. Seither ist der 2. Juni Internationaler Hurentag.
MeToo-Bewegung
Berühmtestes Beispiel gelebter, weiblicher Solidarität ist aber sicherlich die weltweite MeToo-Bewegung, die sich für das Bewusstsein und die Bekämpfung sexueller Belästigung und Übergriffe einsetzt. Sie entstand 2006 durch die Aktivistin Tarana Burke. Doch erst 2017 gewann die Bewegung weltweit an Aufmerksamkeit, als ein Hashtag viral ging.
Zuvor gab es Zeitungsberichte mit Vorwürfen zahlreicher Frauen über sexuelle Übergriffe des Filmproduzenten Harvey Weinstein. Die US-amerikanische Schauspielerin Alyssa Milano griff den MeToo-Ausdruck von Aktivistin Tarana Burke in einem Tweet auf.
Am 15. Oktober 2017 twitterte sie: „Wenn du sexuell belästigt oder angegriffen worden bist, schreibe ‘ich auch’ (englisch: me too) als Antwort auf diesen Tweet.” Milanos Tweet löste eine Welle von Solidarität und Offenheit aus. Hunderttausende Frauen weltweit meldeten sich zu Wort.
Unterdessen wurde Weinstein 2020 in New York unter anderem wegen Vergewaltigung zu 23 Jahren Haft verurteilt.
Aber nicht nur das. Die MeToo-Bewegung hat dazu beigetragen, ein breiteres Bewusstsein für die Allgegenwärtigkeit sexueller Übergriffe zu schaffen und die Diskussion über Themen wie Einwilligung, Machtungleichgewichte und Geschlechterungleichheit voranzutreiben. Und zwar in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Nicht nur in der Unterhaltungsbranche, sondern auch in Politik, Wirtschaft und Co.
Die MeToo-Bewegung hat weltweit zu Veränderungen in Gesetzen, Unternehmensrichtlinien und sozialen Normen geführt.
Von der Konkurrenz zur Kooperation
Der Fokus auf Solidarität und Zusammenarbeit kann helfen, das Bild von Frauen als Gegnerinnen zu überwinden und eine Kultur der gegenseitigen Unterstützung und Stärkung zu fördern. Das ist auch im Rahmen meiner Feministischen Coaching Akademie immer wieder spürbar. Dabei handelt es sich um Deutschlands erste feministische Coaching Ausbildung, die ich zusammen mit meiner Kollegin Sabine Groth ins Leben gerufen habe.
Mit unserer gemeinsamen Arbeit bei der feministischen Coaching Akademie befähigen wir Dich, andere Frauen in ein erfülltes Leben zu begleiten. Du lernst bei uns, wie Du ein unterstützendes Miteinander von Frauen in Deinem Arbeitsalltag gestalten kannst. Du lernst konkrete Methoden um Deine Berufung in die Tat umzusetzen.
Dafür schaffen wir uns in der Feministischen Coaching Akademie ganz bewusst einen konkurrenzfreien Raum in einem rein weiblichen Setting. Das garantiert einen sicheren Rahmen, um sich öffnen zu können. So entsteht automatisch ein Raum für neue Erfahrungen. Vom 17. – 23. Februar 2024 findet der nächste Ausbildungs-Durchlauf statt. Es sind nur noch wenige Plätze frei. Trage Dich jetzt unverbindlich in die Liste der Interessentinnen ein, buche ein unverbindliches Erstgespräche in unserem Online-Kalender oder rufe an:
Johanna: 0163 3673024
Sabine: 0159 01462815
Wir freuen uns auf Dich,
Deine Sabine und Johanna
Link zur Website: https://feministische-coaching-akademie.de
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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