“Aber wie spreche ich das an?” fragt mich der Blick einer Klientin, als wir über die Kommunikation der Fair-Teilung aller Care-Aufgaben sprechen.
Und tatsächlich: Das Gespräch wird in sehr vielen Fällen die Person mit Leidensdruck beginnen, die damit schon wieder den Emotional Load, also die unsichtbare Verantwortung für das Wohlbefinden trägt. Das ist doppelt ungerecht. Aber nötig!
Empathie üben, statt Prozessoptimierung
Wichtig ist, dass es sich bei der Aufteilung der Care-Arbeit nicht nur um ein Gespräch handelt. Es handelt sich eher um einen Prozess über mehrere Monate in dem Schritt für Schritt die Aufgabenverteilung gerechter werden soll. Und dabei müssen nicht nur sichtbare Aufgaben wie Kinder in die Kita bringen, Staubsaugen etc. besprochen werden, sondern auch die unsichtbaren Aufgaben, wie zum Beispiel: Wer spricht das Thema Care an, beliest und informiert sich, wer sucht das Gespräch, erinnert an die Einhaltung getroffener Vereinbarungen und spricht das Thema erneut an, wenn es hackt?
3 Schritte von der Routine zum eigenen Ritual
Wie kannst Du also ritualisiert mit der Partner*innenschaft über die Aufgabenverteilung ins Gespräch kommen? Nicht um “Prozesse zu optimieren”, sondern um Empathie zu üben. Um ein echtes Verständnis der Positionen zu einer Begegnung und einem Leben auf Augenhöhe zu gelangen?
1. Deine Gefühle mitnehmen
Die eigenen Gefühle zulassen ohne diese zu beurteilen ist der Anfang eines guten Gesprächs. Versuche, zu vergegenwärtigen und zu benennen, wofür Du einstehen möchtest. Vielleicht hilft es Dir auch, vor dem Gespräch einmal aufzuschreiben, was Du sagen möchtest. So ein Gespräch kann von Wut begleitet daherkommen – berechtigterweise. Und das ist absolut okay so. Nimm Deine Gefühle wahr und ernst. Lass Sie Dir mitteilen, was Du brauchst! Lerne wahrzunehmen, zu regulieren und mit ihnen zu arbeiten.
2. Achtung: Delegier-Falle!
Es geht in diesem wichtigen Gespräch nicht um das Delegieren: Wer delegiert, hat immer noch die Verantwortung für die Aufgabe und somit für das Resultat. Dieser Mental Load ist es, der von allen reflektiert werden muss. Aufgaben wollen verteilt und von der verantwortlichen Person proaktiv übernommen werden. Macht euch den Unterschied zwischen sichtbaren und unsichtbaren Aufgaben klar und verteilt komplette Pakete statt Einzelaufgaben.
3. Lieblingsmethode: Care-Counceln!
10 Min ich, 10 Minuten Pause in unterschiedlichen Räumen, 10 Minuten Du. Ohne Einmischung, ohne Kommentar, ohne Unterbrechung. Zu einem festen Zeitpunkt, anfangs einmal pro Woche. Dieses Reflexionsgespräch ist magisch und augenöffenend! Die Leitfrage lautet: Wie geht es mir gerade mit unserer Care-Situation? Die Aussprache ist einseitig. Das heißt während Dein Gegenüber spricht hörst Du aktiv zu -ohne zu unterbrechen! Atmen nicht vergessen. Und umgekehrt. Erstmal ist es komisch so lange zu reden ohne unterbrochen zu werden. Auch der eigene Impuls dem Gegenüber zu widersprechen will geschult werden.
Wichtig ist es, das Zeitlimit und die Pause einzuhalten. Dieser Rahmen hilft die Gesprächsanteile zu balancieren und Euch einander zu zeigen. Schaut gemeinsam, ob es das passende Format ist. Und wenn ihr geübt habt, könnt ihr die Zeiten verlängern und ein eigenes Ritual draus machen. Sich der gesellschaftlichen Misslage bewußt zu werden und zu bemerken, wie groß die persönliche Betroffenheit ist tut weh. Und es braucht Mut hinzuschauen, sich zu stellen und Verantwortung zu übernehmen.
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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