Schwangerschaft und Feminismus – diese Mischung ist ganz schön komplex. Weil nur Frauen ein Kind in sich tragen können, heißt das noch lange nicht, dass die Schwangerschaft nur ihre Sache ist. Obwohl…?
„Ich hätte es optimal gefunden, wenn mein Freund und ich zu Beginn hätten entscheiden können, für wen von uns die Schwangerschaft gerade besser in die Lebensplanung passt“, schreibt Mareike Geiling während ihrer Schwangerschaft für die Zeitschrift EDITION F und erlaubt sich damit, einen Gedanken zu formulieren, der wahrscheinlich vielen Frauen unausgesprochen im Kopf herumschwirrt.
Ja, es würde so einiges durcheinander wirbeln, wenn Männer und Frauen schon in dieser Frage unabhängig entscheiden oder aufteilen könnten, so wie das zum Beispiel in gleichgeschlechtlichen Beziehungen zwischen zwei Frauen möglich ist und durchaus auch oft gelebt wird. Du ein Kind, ich ein Kind… klingt nach einem wirklich sinnvollen Modell.
Vorbei wäre es mit der Diskriminierung junger Frauen im Arbeitsleben, keiner würde mehr erwarten, dass die Mutter doch wohl beim Kind bleibt in der Elternzeit und Thomas aus dem Vorstand würde mal eben beim Meeting fehlen, weil er zum Ultraschall muss. Schöne Vorstellung!
Schwangerschaft und Feminismus: Die Natur hat eigene Pläne
Doch dann gibt es da halt noch die Natur. Die sitzt nun mal am längeren Hebel, hat das etwas anders vorgesehen und so bleibt in Beziehungen zwischen Männern und Frauen die Schwangerschaft eben doch Frauensache. Körperlich. Und das macht die Sache mit der gleichberechtigten und fair aufgeteilten Elternschaft während der Schwangerschaft echt kompliziert!
Denn wie sehr und in welchen Punkten soll Mann sich genau einbringen, was geht ihn etwas an und wo sollte er dringend die Grenzen seiner Verantwortlichkeit sehen, wenn das gemeinsame Kind sich im Körper einer selbstbestimmten Frau befindet? Das fängt beim Thema Schwangerschaftsabbruch an und hört noch lange nicht am Stichtag auf.
Denn da wären ja auch noch die Geburt, das Wochenbett, die Stillzeit und all die anderen körperlichen Herausforderungen, die nunmal die Frau trägt. Klingt kompliziert für beide Seiten und ist es auch. Aber gerade diese Komplexität birgt auch eine wunderbare Chance für Gespräche, die eine wertvolle Basis legen für das, was nach der Schwangerschaft kommt: Elternschaft.
Richtig oder Falsch gibt es nicht
Gibt es richtige Antworten auf all die Fragen, die in einer Schwangerschaft aufkommen? Klar gibt es die! Aber sie sind so vielfältig wie die Eltern, die Lebensumstände, die sich entwickelnden kleinen Menschen und die Beziehung zwischen den werdenden Eltern in Summe. Die eine „feministische Schwangerschaft“, die gibt es nicht. Was es aber gibt, sind Denkanstöße, die zu hoffentlich guten Gesprächen und sich gut anfühlenden Lösungen führen.
Eines vorweg: Fair ist Schwangerschaft nicht. Gerecht ist sie auch nicht. Und trotzdem kann sie sich für beide Partner:innen richtig anfühlen.
10 Gedanken über Partnerschaft, Schwangerschaft und Feminismus, die erlaubt sein müssen
- Ich als Frau gebe eine Menge, um unser gemeinsames Kind auszutragen. Wie gehen wir werdende Eltern mit diesem momentanen Ungleichgewicht um? Was ändert sich dadurch für uns?
- Eine Schwangerschaft kann Angst machen, weil sie so viel verändert. Was fühlen wir beide und wie können wir uns unterstützen?
- Von der Gesellschaft wird erwartet, dass die Frau sich mit ihrer Schwangerschaft auseinandersetzt und weiß, was in ihrem Körper vor sich geht. Warum wird das von einem werdenden Vater nicht erwartet? Wie wollen WIR das handhaben?
- Schwangere Frauen gelten als besonders schutzbedürftig. Fühlt sich das gut an? Ist das so? Wollen wir das?
- Von Stimmungsschwankungen, über Gelüste bis zum Babyblues… Wie ist das als Frau, von anderen plötzlich als „hormongesteuert“ wahrgenommen zu werden?
- In der Schwangerschaft hat die Frau per sé mehr Rechte, Entscheidungen zu treffen, die sich auf die Gesundheit des Kindes auswirken. Was macht das mit uns? Wie gehen wir damit um?
- Ist dieses „besondere Band zwischen Mutter und Kind“ ein Mythos, weil es das Fürsorge-Gen nicht gibt? Ist es eine Entscheidung, die auch ein Vater für sich treffen kann?
- Wieviel WIR braucht eine Schwangerschaft? Wieviel ICH ist unabdingbar?
- Wie wollen wir mit den Einschränkungen umgehen, die eine Frau während der Schwangerschaft auf sich nimmt. Würde es sich besser für uns anfühlen, wenn wir uns beide einschränken? Ist uns das egal? Was macht eventuelle Unzufriedenheit und Neid mit uns als Paar?
- Was bedeutet die Schwangerschaft beruflich und finanziell für die werdende Mutter? Wie können und wollen wir das ausgleichen?
Alltagsfeministische Grüße,
Deine Johanna
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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