Wahrscheinlich hätte Sarah Connor nicht einmal mitbekommen, dass Weltfrauentag ist, wenn man sie nicht gebeten hätte, einen Kommentar für Die Zeit darüber zu schreiben, schreibt sie. Für sie fühlt sich dieser Tag auch nur an wie „ein weiterer heuchlerischer Versuch, Aufmerksamkeit für ein Thema zu erzeugen, der ohne Folgen bleibt…“ Warum? Weil Frauen, so schreibt sie, „Unglaubliches“ leisten, nicht nur für die Familie, sondern auch als Dienst an der Gesellschaft, doch noch immer nicht dafür bezahlt werden.
Männer sollten ihren Frauen die Hälfte ihres Gehaltes zahlen
Ihre Forderung: Männer sollten am 8. März mal den kompletten Tag Haushalt und Kinder übernehmen und Arbeitgeber den weiblichen Angestellten an diesem Tag das gleiche Gehalt wie ihren männlichen Arbeitnehmern bezahlen. Doch am meisten Beachtung in den Medien fand ihr Vorschlag: „Solange diese Arbeit (Anm.: sie meint die Care-Arbeit der Frau) noch nicht vom Staat bezahlt wird, sollten berufstätige Männer ihren Frauen, die ihre Kinder und den gemeinsamen Haushalt managen, die Hälfte ihres verfügbaren Gehalts auszahlen.“ Bäm.
Warum Sarah Connors Worte zum Weltfrauentag so viel Gehalt haben
Dass uns ihre Forderung ein bisschen übertrieben vorkommt, hat damit zu tun, dass wir insgeheim selbst der Meinung sind, Care-Arbeit habe nicht denselben Wert wie ein „Beruf”. Wie sollten wir auch etwas anderes denken? Wir haben es nicht anders gelernt. Der Gedanke, dass vor allem Frauen die Care-Arbeit (selbstverständlich unentgeltlich) übernehmen müssen, ist uns so eindrücklich wie ein traditionelles Weihnachtsgansessen in die Wiege gelegt worden. Traditionen hinter sich zu lassen, das ist ein echter Kraftakt und muss immer verteidigt werden… Wer daran zweifelt: Versuch einmal, das traditionelle Weihnachtsmenü zu verändern, dann weißt Du, was ich meine.
Sarah Connor bringt es auf den Punkt
Ich habe lange keine so kraftvollen Worte mehr gelesen über die Notwendigkeit, die Arbeits- und Gehaltsaufteilung zwischen Frauen und Männern neu zu definieren. Gerade jetzt, inmitten dieser Pandemie, in der die großen Veränderungen des Tagesablaufs meist zu Lasten der Frau gehen. Oder wie Sarah Connor es auf den Punkt bringt: „Kaum ein Mann in den Partnerschaften, die ich kenne, hat in dieser Ausnahmesituation ebenso große Veränderungen in seinem Alltag vorgenommen wie die dazugehörigen Frauen.“ Das deckt sich mit dem, was ich in meinem Umfeld erlebe.
Was wir dagegen tun können? Genau wie Sarah Connor mit unseren Partnern reden, Auszeiten einfordern, unsere finanzielle Unabhängigkeit verteidigen, aber zuallererst und vor allem: Selbst erkennen, was wir da eigentlich Tag für Tag tun.
Der Care-Rechner gibt Sarah Connor Recht
Die Hälfte des Gehalts Deines Mannes hältst Du für übertrieben? Der Who Cares? Rechner der auf zahlreichen wissenschaftlich fundierten Daten basiert, gibt Dir Auskunft darüber, wieviel Deine Care-Überstunden wert sind und wie viel Du verdient hättest, wenn sie fair bezahlt worden wäre.
Nein, der Weltfrauentag sollte sich nicht auf „folgenloses Mitgefühl, die tückische Krankheit der Social-Media-Welt“ beschränken. Kein Hashtag, kein medialer Aufschrei, keine Demo alleine wird die Situation ändern. Es sind vielmehr die vielen vielen Frauen, die zuhause den Mund aufmachen, die Dinge ändern, sich und ihre Arbeit achten. Und es sind die vielen vielen Männer, die zuhören, verstehen und offen sind dafür, mit ihren Partnerinnen zu wachsen und eine neue Rolle im Familienleben einzunehmen. Feminismus beginnt nämlich im Alltag. In meinem. In Deinem. In dem Deines Partners. Und ja, auch in Sarah Connors.
Alltagsfeministische Grüße,
Deine Johanna
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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