Care-Arbeit ist unbezahlt. Das ist das Problem! Alltagsfeminismus® fängt genau hier an: Mache greifbar, wie wertvoll Deine Zeit ist. Gib ihr einen Preis!
Stell Dir vor, Du würdest für den Teil der Care Arbeit bezahlt werden, den Du ausgleichst.
64.178,40 € – Das ist der Wert, den eine Frau, die 8 Jahre in einem gemeinsamen Haushalt lebend und Mutter von zwei Kindern im Alter von 2 und 5 Jahren ist für Ihre Care- und Hausarbeit in Rechnung stellen müsste. Richtwert sind 3.600 Euro Brutto vor der Elternzeit.
Aber: Care-Arbeit ist in unserer Gesellschaft nichts wert. Sie hat keinen Preis.
In den letzten Monaten wurde mir klar, dass gelebter Feminismus nicht in der Krise steckt, sondern im Alltag: Er steckt in den Kinderschuhen.
Neben hippen Morgenritualen absolvieren viele Frauen ihre Klimmzugchallenge an der Karriereleiter und übernehmen nebenbei noch die Aufgaben, die unsere Mütter und Großmütter auch schon unbezahlt übernahmen: Die ganze Fürsorge, Pflege & Organisation – Nebenher!
Wie ungerecht und ungleich diese Rollenverteilung in unserer Gesellschaft ist zeigt, wie die Aufgaben zwischen Mann und Frau verteilt wird: ca. 70% aller Frauen gehen nach der Geburt von Kindern in Teilzeit zurück zur Arbeit, während die Mehrzahl aller Männer in Vollzeitjobs die Rolle des Hauptverdieners und des Ernährers übernehmen.
Während Corona spitzte sich diese Ungerechtigkeit zu und die Frauen verschwanden wortwörtlich von der “Bildschirm”-Fläche, um sich nebenbei um Homeschooling und die Fürsorge der Kinder zu kümmern. Der groß Unterschied: Die eine Rolle wird entlohnt. Die andere nicht!
Eine echte Wert-Schätzung von Care kann nur über einen Preis erfolgen!
Als Alltagsfeminismus® Coachin war es mir ein dringendes Bedürfnis, diesen Wert benennen zu können. Dafür habe ich in enger Zusammenarbeit mit dem Verhaltensbiologen Dr. Florian Ruland und dem Software-Experten Hannes Zilt den Who-Cares-Rechner entwickelt.
Was wird gerechnet?
Die Zahlen basieren auf der aktuellsten Studie zur Arbeit und Zeit von Claire Samtleben, Wissenschaftlerin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Der Rechner kennt den Durchschnitt der geleisteten Erwerbs-, und Sorgearbeit und den Anteil, den Frauen und Männer im Durchschnitt daran haben. Der Teil Care-Arbeit, den “Sie” typischerweise für “Ihn” ausgleicht, wird in Geld umgerechnet.
Da Frauen im Laufe der Jahre einen erheblich größeren Anteil Fürsorge Arbeit leisten, insbesondere als Mutter, ermittelt der Rechner den Wert, den „Sie“ für „Ihn“ ausgleicht. Je nach Dauer des Zusammenlebens, sammeln sich geleistete „Über-Stunden“ Hausarbeit an, die der Rechner ermittelt. Er berücksichtigt, dass das Alter der Kinder die Care-Arbeitslast beeinflusst: Je kleiner das Kind, desto mehr Care-Arbeit fällt an.
Klar werden jetzt einige von Euch denken: Aber wer soll das denn bezahlen? Wichtig ist mir: Das Ergebnis soll ein Bewusstsein schaffen. Ein Bewusstsein über den tatsächlichen Wert der Arbeit, den typischer,- aber nicht notwendigerweise Frauen täglich ohne finanzielle Entlohnung leisten.
Altersarmut ist weiblich! Nicht umsonst…
Diese Zahl soll deutlich machen, was der Care-Gap – also die Ungleichverteilung der Fürsorge- Last zwischen Mann und Frau- mit dem eigenen Leben zu tun hat.
Der Rechner ist Ausdruck einer meiner Überzeugungen: Automatismen, wie eine Ehe ohne Ehevertrag oder das Arbeiten in Teilzeit ohne Absprache über die Konsequenz für die Rente der Frau, führen am Ende ihres Lebens zu Armut und gefährden ihre emotionale und körperliche Gesundheit. Das sage ich auch als Medizinanthropologin: Der Zusammenhang von Gender und gesundheitlichen Problemen ist in vielen Studien und an Hand unendlicher Beispiele deutlich erkennbar.
Was kannst Du jetzt mit dem Ergebnis tun?
Was macht diese Zahl mit Dir? Oft entsteht erst einmal ein Strohfeuer. Einige Frauen sind empört, kehren wieder in den frustrierenden Alltag zurück und lassen das Thema Armutsfalle offen stehen. Ein Grossteil der Frauen profitiert jedoch von dieser Zahl: Die Zahl lädt dazu ein den eigenen Ist-Zustand zu analysieren und sensibel zu werden für den eigenen Wert.
Ich möchte zum Nachdenken anregen und zu Gesprächen untereinander einladen. Beobachte Dich selbst während Deiner Haus- und Carearbeit. Denk darüber nach und entwickle ein neues Verständnis dafür, ob du als Frau nicht schon längst über eng gewordene Rollenklischees hinausgewachsen bist.
Alltagsfeministische Grüße,
Eure Johanna
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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