Der Internationale Frauentag, auch bekannt als Frauenkampftag, ist ein jährlicher Gedenktag, der am 8. März gefeiert wird. In Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern ist er seit 2019 sogar ein Feiertag, jucheee!
Wir sollten also feiern und nicht für Gleichberechtigung kämpfen müssen. Diese Berechtigung will uns doch wohl niemand absprechen. Im Grundgesetz heißt es in Artikel 3 Abs. 2: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.”
Auf dem Papier sind Frauen also gleichberechtigt, dennoch sind wir in der Gesellschaft nicht gleichgestellt. Die Realität ist nicht geschlechtsneutral! Denn dafür müsste zum Beispiel Sorgearbeit gleich verteilt sein und Frau für gleiche Arbeit gleiches Geld bekommen. Deswegen mutet unser Feiertag immer noch wie ein K(r)ampftag an.
Ich sehe mich als Feministin, nicht als Männer hassende Furie, die mit geballten Fäusten und Forke vors Parlament stürmt. Feministinnen fordern die Abschaffung des Patriarchats und die damit verbundenen Ungerechtigkeiten. Für ein friedliches und gerechtes Miteinander. Doch ich bin wütend, dass ich für etwas kämpfen muss, das eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Ich möchte nicht kämpfen, ich plädiere für eine gefühlsbetonte Revolution, für einen Tag der Trauer, die hinter all der Wut steht. Hier ist mein Plädoyer für Frieden statt Kampf!
So viel gekämpft: Geschichte des Internationalen Frauentages
Doch was wären wir ohne all unsere Vorkämpferinnen? Die Geschichte des Kampfes um Frauenrechte begann bereits in der Zeit rund um die Französische Revolution. Als 1791 die Menschenrechte in die französische Verfassung aufgenommen wurden, ging es nur um die Männer. Doch die politische Schriftstellerin Olympe de Gouges erklärte, Menschenrechte sind auch Frauenrechte: „Die Frau hat das Recht, das Schafott zu besteigen, also muss sie auch das Recht haben, die Rednertribüne zu besteigen,” heißt es in einem ihrer Artikel. Tragischerweise wurde Olympe de Gouges 1793 tatsächlich auf dem Schafott hingerichtet.
Der Frauentag als Gedenktag wiederum entstand aus den sozialistischen Bewegungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Ursprünglich wurde der Internationale Frauentag erstmals am 28. Februar 1909 in den Vereinigten Staaten von sozialistischen und kommunistischen Gruppen organisiert, um für das Wahlrecht der Frauen und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
Auch in Großbritannien tat sich etwas. Die Suffragetten – mehr oder weniger organisierte Frauenrechtlerinnen – traten für Frauenwahlrecht und mehr Gleichberechtigung ein. Doch mit Worten und Forderungen kommen sie nicht weiter und werden militanter. Sie werfen Scheiben ein, zünden Briefkästen an und rauchen in der Öffentlichkeit – bis dato gesellschaftliche Tabus. Dafür riskieren sie Haftstrafen und protestieren sogar im Gefängnis weiter: Viele treten in den Hungerstreik und müssen schmerzhafte Zwangsernährung über sich ergehen lassen.
1910 brachte die US-amerikanische Sozialistin May Wood-Simons die Idee eines Frauen(streik)tages mit zur internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen. Clara Zetkin und Käte Duncker setzten sich dafür ein, dass es einen solchen Tag auch in Europa geben sollte.
Am 19. März 1911 wurde der erste Internationale Frauentag gefeiert. Zunächst in Dänemark, Deutschland, Österreich, Bulgarien, der Schweiz und den USA. Später wurde der Frauentag auf den 8. März verlegt.
Es war der 8. März 1917 als während des Ersten Weltkriegs in St. Petersburg Arbeiterinnen auf die Straßen gingen, um für „Brot und Frieden” zu protestieren. Leo Trotzki schrieb dazu in seiner „Geschichte der Russischen Revolution”, die Initiative sei „von dem am meisten unterdrückten und unterjochten Teil des Proletariats” ausgegangen, „von den Textilarbeiterinnen, unter denen, wie man sich denken kann, nicht wenig Soldatenfrauen waren. (…) Eine große Menge Frauen, und zwar nicht nur Arbeiterinnen, zog zur Stadtduma mit der Forderung nach Brot. Das war dasselbe, wie von einem Bock Milch zu verlangen. Es tauchten in verschiedenen Stadtteilen rote Banner auf, deren Aufschriften besagten, dass die Werktätigen Brot wollen, aber nicht mehr das Selbstherrschertum und den Krieg. Der Frauentag verlief erfolgreich, mit Schwung und ohne Opfer. Was er aber in sich barg, das ahnte am Abend noch niemand.”
Dieser landesweite Aufstand trug dazu bei, den Weg für die russische Revolution zu ebnen und war ein entscheidender Moment in der Geschichte des Frauenkampfes.
Heute ist der 8. März zu einem globalen Tag des Engagements für Frauenrechte (Menschenrechte), die Gleichstellung der Geschlechter und die Bekämpfung von Diskriminierung und Ungerechtigkeit geworden. Er bietet Gelegenheit, um weitere Maßnahmen zur Förderung der Frauenrechte zu fordern und Erfolge im Kampf für die Gleichstellung der Geschlechter zu feiern.
Natürlich gibt es auch oft die obligatorische rote Rose geschenkt und der Einzelhandel hat den Kampf-Tag längst zum Kauf-Tag gemacht. Frauen werden als Konsumentinnen gesehen und mit Rabatten und Sonderaktionen gelockt. Die Historikerin Dr. Kerstin Wolff spricht in einem Essay „Die Geschichte(n) des Internationalen Frauentages” sogar von einer kapitalistischen Entpolitisierung des Tages.
Dabei sind wir noch längst nicht fertig mit dem Tag!
Was wollt ihr denn noch?
„Unsere Wahrnehmung und unsere Erwartungen an Männer und Frauen sind nicht gleich, sondern von unbewussten Denkmustern (Bias) geprägt. Das beeinflusst das Miteinander, Entscheidungen und Prozesse im Unternehmen”, schreibt die AllBright Stiftung, die sich für mehr Frauen und Diversität in den Führungspositionen der Wirtschaft einsetzt.
Seit Mai 2021 gibt es die Bundesstiftung Gleichstellung. Stiftungszweck ist die Stärkung und Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern in Deutschland. Solche Stiftungen werden nicht zum Spaß gegründet, sondern weil Aufklärung und Aufmerksamkeit nach wie vor wichtig sind.
„Was wollt ihr denn noch?” heißt das aktuelle Buch von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Alexandra Zykonov. „Bock, ganz ohne feministische Vorkenntnisse das Patriarchat anzuzünden?”, fragt sie darin und beschreibt auch im Podcast „Die Alltagsfeministinnen” ihre Wut über Bullshitsätze wie „Frauen suchen sich halt auch die schlecht bezahlten Berufe aus”. Solche Sätze greift sie auf und zerlegt sie mit Hilfe von Fakten, Zahlen und Statistiken. Sie nennt das „statistischen Abfuck”.
Sie zieht in ihrem Buch aber nicht nur runter, sondern auch einen internationalen Vergleich. Deutschland versagt dort kläglich. Kein anderes europäisches Land leistet sich Ehegattensplitting, was in Deutschland 22 Milliarden Euro pro Jahr kostet. Das Patriarchat spült Geld ins Klo.
Alexandra Zykonov schreibt darüber mit sehr viel Wortwitz und Zugewandtheit und dennoch ist sie wütend über den Ist-Zustand unserer Gesellschaft und leidet manchmal unter Feminismus-Blues. Im Vorwort schreibt sie über ihre Wut als beste Freundin und macht im Text immer wieder kleine Anmerkungen wie „ihr könnt das Buch jetzt zuklappen und auf ein Bett einprügeln. Ich weiß, ich werde es tun”.
Ich wundere mich, dass ob dieser Zustände nicht noch viel mehr Menschen wütend sind. Mich wundert, dass Landwirte mit Traktoren die Autobahnen blockieren, nicht aber Mütter für mehr Kitaplätze und bessere Betreuungsmöglichkeiten auf die Straße gehen. Vielleicht, weil sie schlicht keine Kraft und keine Zeit haben. Keine Kraft für Wut. Dabei ist Wut ein Kompass – er zeigt uns, dass uns etwas gegen den Strich läuft. Wut ist eine Bewahrerin der eigenen Grenzen. Doch leider wird Frauen die Auslebung dieses Gefühls viel zu oft aberzogen oder das Recht auf Wut abgesprochen. Dabei überdeckt die Wut oft eine noch viel tiefer sitzende Emotion: die Trauer.
Neulich teilte die US-amerikanische Therapeutin und Podcasterin Erin Spahr ein kurzes Video auf Instagram (@feminist.mom.therapist) – einen Zusammenschnitt verschiedener Szenen aus Sitcoms und Comedy-Serien. Alle haben eines gemeinsam: Die Ehefrauen werden als schreiende Furien dargestellt, die ausrasten, wenn der Mann das Toilettenpapier nicht richtig aufhängt oder das falsche kauft. Die Männer stellen sich dumm. Erin Spahr nennt das „Weaponized incompetence” und schreibt dazu: „Wir wurden darauf konditioniert, über das liebenswerte männliche Kind zu lachen und die wütende, nörgelnde Frau auszublenden.
Wir wurden dazu erzogen, Respektlosigkeit gegenüber Frauen und Müttern zu akzeptieren. Inkompetenz als Waffe, ungleiche Arbeitsverteilung zu Hause und die „Mami-Wein-Kultur“ sind seit Generationen normal.”
Von Wut zu Wandel
Die wütende Frau greift zur Flasche. Denn Frauen, die Wut zeigen, müssen mit negativen Konsequenzen rechnen. Denn ihr Ärger wird eher auf ihre Persönlichkeit geschoben. Männer, die wütend sind, werden schon „einen Grund haben”. Das Publikum vom Band lacht. Eine gesellschaftliche Schieflage der Gefühle. Doch die Krise der psychischen Gesundheit von Müttern ist ernst, schreibt Spahr weiter: „Alkoholmissbrauch ist schwerwiegend. (…) Es ist nicht lustig, Frauen beim Leiden zuzusehen, und das Gefühl, vom Partner respektlos, manipuliert und verlassen zu werden, ist keine Partnerschaft.”
Ich bin voller Dank für all die feministischen Vorkämpferinnen, die ihre Freiheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt oder gar verloren haben. Die Wut, die sie zu Kämpferinnen machte, war sicher auch ein Stück weit Trauer!
Doch ich möchte nicht mehr kämpfen müssen. Mit all den rationalen Fakten der Ungleichbehandlung, die seit jeher auf dem Tisch liegen, plädiere ich für eine gefühlsbetonte Revolution, die von emotionalen Motiven und Überzeugungen geleitet ist.
Gefühlsbetonte Revolutionen sind oft durch ein tiefes Empfinden von Ungerechtigkeit oder Unterdrückung und dem Drang nach Gleichstellung und Freiheit angetrieben, wie die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten oder der Arabische Frühling. Doch die Wut kann nur ein Katalysator sein. Das Ziel ist Wandel.
Meine Wünsche zum Frauentag
- Ich wünsche mir, dass wir alle unsere tief verwurzelten Gefühle wie Hoffnung und Sehnsucht nach Veränderung ausleben.
- Ich wünsche mir mehr Solidarität und Empathie in unserer Gesellschaft, damit wir gemeinschaftlich leben können. Denn das ist es, was uns Menschen eint: Wir sind fühlende Wesen. Wir denken, fühlen und handeln. Wenn wir dies gemeinsam tun, haben wir mehr Kraft.
- Ich wünsche mir, dass nicht nur Frauen für Frauen auf die Straße gehen, sondern, dass alle Menschen erkennen, dass das Patriarchat unserer Gesellschaft schadet. Auch den Männern.
Wir leben in einer Gesellschaft, in der rechtspopulistische und nationalistische Kräfte versuchen, Hass zu verbreiten. Demokratie und Frauenrechte geraten in Bedrängnis. Antifeminismus und sexistische Hetze im Netz gehen einher mit einem Rückfall in überholte Rollenbilder und Strukturen, die Frauen benachteiligen.
Ich möchte nicht, dass meine Tochter oder weitere, zukünftige Generationen wütend oder traurig kämpfen müssen!
Doch wenn es nötig bleibt, werden sie es sicher tun. So wie all unsere Vorkämpferinnen.
Zum Weiterlesen:
- Spannender Artikel über die Geschichte des Frauentags
https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/themen/die-geschichten-des-internationalen-frauentages - Alexander Zykonov – “Was wollt ihr denn noch alles? Zahlen, Fakten und Absurditäten über unsere ach-so-tolle Gleichberechtigung”; erschienen bei Ullstein.
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Johanna Fröhlich Zapata
Johanna Fröhlich Zapata ist Mutter, Therapeutin, Medizinanthropologin und Co-Gründerin von Deutschlands erster Ausbildungsinstitution für Feministisches Coaching. Ihr Ziel ist es, Alltagsfeminismus als Prozess gesellschaftlichen Wandels mitzugestalten und Frauen und Männern gleichermaßen dabei zu unterstützen, einen lebenspraktischen Feminismus in ihrem Alltag zu etablieren.
Mit dem rbbKultur-Podcast «Die Alltagsfeministinnen» erreicht ihre Arbeit ein breites Publikum. In ihrer Privatpraxis bietet sie ein stark gebuchtes Coachingprogramm zum Thema an. Johanna Fröhlich Zapata lebt mit ihrer erweiterten Familie in großer Fürsorge-Gemeinschaft in Berlin.
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