Heute, am 11. Februar ist Internationaler Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Die wirklich großen Fragen zu dem, was das im Alltag bedeutet, stellt meine Klientin Paula Schreiber.
Mein Mann und ich haben eine eigene WhatsApp-Gruppe für Mental-Load-Angelegenheiten. Wir beide sind die einzigen Mitglieder der Gruppe und wir schreiben uns dort, wenn, wann und welche Dinge zu bedenken, einzukaufen und zu organisieren sind. „Kind 1 muss morgen Geflügelsalami fürs Gruppenfrühstück mitbringen. Kannst du die auf dem Heimweg besorgen?“ „Aushang in der Kita von Kind 2: am Dienstag in zwei Wochen ist Elternabend.“ „Meine Eltern fragen, ob wir sie in den Ferien besuchen…“.
Der Sinn dieser Gruppe ist natürlich, diese ganze Orga-Arbeit zu trennen von den liebreizenden und verständnisvollen Nachrichten, die wir uns ansonsten von Account zu Account schicken (könnten). Und meistens funktioniert das auch gut. Aber heute funkt mal wieder die Uni dazwischen. Diesmal seine. Denn mein Mann ist ja auch Wissenschaftler. Auch er arbeitet in einem Umfeld, das sich schwer tut mit der realen Gleichberechtigung. Nachricht im Mental-Load-Chat: „Am nächsten Montag ist bei uns ein Treffen aller Lehrstuhlpersonen, wahrscheinlich um 17 Uhr. Wollte ich nur schon mal ankündigen.“
Wenn die Uni spricht…
Aha, er wollte es ankündigen. Vor nicht allzu langer Zeit in demselben Chat: „Ich muss nächsten Donnerstag um 16h an der Uni sein, da werden die Lehrveranstaltungen für das nächste Semester verteilt.“ Damals hatte er seine Stelle an dieser Uni gerade erst angetreten und meinte, er müsste die familienunfreundliche Uhrzeit dieses Mal leider hinnehmen. Aber er werde dann deutlich machen, dass Sitzungstermine nach 16 Uhr für ihn grundsätzlich nicht in Frage kommen.
Nun also: 17 Uhr Lehrstuhltreffen. Ich habe an dem Tag zu der Uhrzeit einen Arzttermin. Und die Kinder müssen zum Musikunterricht. Das steht auch so im Familienkalender namens Family-Planer, der bei uns in der Küche hängt. Ich schreibe also meinem Mann, aka Co-Lastenträger, er möge doch bitte der Kolleg:innenschaft endlich mitteilen, dass 17 Uhr für ihn keine gute Zeit ist.
Er weicht erstmal aus und bittet darum, dass wir darüber zu Hause nochmal in Ruhe sprechen. In Ruhe zu sprechen ist grundsätzlich eine gute Sache, finde ich. Deshalb schicke ich ihm einen Daumen und warte auf das ruhige Gespräch am Abend.
…schweigt die Gleichberechtigung
Am Abend in der Küche bin ich gespannt, was mein Mann denn nun eigentlich besprechen will. Denn aus meiner Sicht ist zwischen uns beiden ja längst alles gesagt:
- Wir haben und wollen beide eine wissenschaftliche Karriere,
- wir kümmern uns zu gleichen Teilen um unsere Kinder,
- wir kämpfen gemeinsam für mehr Gleichberechtigung.
Aber das mit dem Kämpfen fällt meinem Mann diesmal sichtlich schwer. Er sagt erstmal gar nichts. Ich frage, warum er seinem Lehrstuhl-Team nicht gleich gesagt hat, dass Meetings am späteren Nachmittag für ihn schwierig sind. Er sagt weiterhin nichts und sieht dabei sehr unglücklich aus. Fast tut er mir Leid. Aber dann kommt aus seinem Mund ein Satz, der mich richtig wütend macht: „Ich wollte nicht unangenehm auffallen und als schwierig gelten.“
Wie bitte? Was ist das denn für eine lahme Begründung?! Wie lange will er seine Kinder, mich, unser 50/50-Modell, unsere Vision von gleichberechtigter Partnerschaft und Elternschaft verleugnen?
Was nützt die Gleichberechtigung in Gedanken?
Ich sage, zugegebenermaßen ziemlich laut und böse: „Willkommen in meiner Welt!“ Denn ich habe schon ziemlich viele Situationen an meiner Uni erlebt, in denen ich unangenehm aufgefallen bin.
- Mein Chef findet mich schwierig.
- Die Sekretärin auch.
- Die Personalverwaltung ohnehin.
Glaubt mein Mann tatsächlich, dass es mir das gar nichts ausmacht? Oder hat er darüber noch nie nachgedacht? Was denkt er denn, warum ich mich laut und leise darüber beklage, wie familienunfreundlich die akademische Welt ist? Warum habe ich schließlich angefangen, diesen Blog zu schreiben? „Doch, doch“ sagt mein Mann. Das wisse er natürlich alles. Ich sei wohl einfach mutiger als er.
Da bin ich dann erstmal sprachlos. Denn ich bin kein besonders mutiger Mensch. Aber manchmal leide ich so sehr, dass ich etwas sagen muss.
Vater im Geheimen
Mir wird ganz kalt. Mein Mann und ich haben doch dasselbe Ziel. Wir wollen unsere Kinder gleichberechtigt erziehen. Da sollte ich doch nicht die einzige in der Familie sein, die an der Uni den Mund aufmacht. Da hätte ich Recht, findet mein Mann. Na immerhin. Aber was nützt mir das?
- Er muss in seinem Umfeld davon sprechen, wie es ist, Kinder zu haben.
- Er muss den Mut finden, sich als Vater zu zeigen.
- Und er muss es aushalten, dass er dann als Wissenschaftler weniger ernst genommen wird.
Ich weiß, wie das ist. Ich kann sein Unbehagen verstehen. Aber ich kann es ihm nicht ersparen. Denn das hieße, unser Ideal von der Gleichberechtigung zu begraben. Und es würde bedeuten, die Kinderfeindlichkeit des akademischen Systems weiter mitzutragen. Es hilft nichts, er muss mutig werden!
Coming out als Vater
Am Ende hat mein Mann mehr Angst vor mir als vor der Uni. Er verspricht mir, seinen Chef darum zu bitten, das Lehrstuhltreffen zu verschieben – auf eine Uhrzeit, zu der die Kinder normalerweise betreut sind. Allerdings will er sich mit anderen Eltern absprechen und Verbündete suchen. Auch diese Idee finde ich gut.
Es dauert jedoch nicht lange, bis wir beide desillusioniert sind: Am nächsten Tag redet mein Mann mit dem einzigen Kollegen aus seinem Team, von dem er sicher weiß, dass der ein Kind hat. Auf die Frage, ob nicht ein Meeting vor 16 Uhr auch für ihn besser wäre, antwortet der Kollege, Terminschwierigkeiten habe er bisher nicht gehabt. Seine Frau arbeitet nicht. Das Kind ist also gewissermaßen dauerhaft betreut.
Ich hatte es geahnt und weiß nun nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich atme tief durch und bitte meinem Mann, auch alleine seine Stimme für seine Kinder zu erheben. Und das tut er dann auch tatsächlich. Wieder einen Tag später im Mental-Load-Chat: „Lehrstuhltreffen ist um 12h und per Zoom.“ Wow. Ich möchte gern glauben, dass das vielleicht auch für andere in diesem Team gut ist. Vielleicht gibt es ja noch mehr geheime Väter oder Mütter dort. Aber vor allem bin ich jetzt wirklich stolz auf uns beide hier, dass wir unser Mental Load doch noch gerecht aufgeteilt haben.
Paula Schreiber
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Paula Schreiber
Paula Schreiber ist promovierte Geisteswissenschaftlerin und hat eine befristete Stelle in einem Drittmittelprojekt an einer großen Universität in Deutschland. Ihr Mann ist ebenfalls Wissenschaftler. Zusammen haben sie zwei Kinder, die sie gleichberechtigt erziehen. Wenn dann noch Kräfte übrigbleiben, kümmern sie sich zu gleichen Teilen um den gemeinsamen Haushalt und den Rest des Lebens.
Feedback und Austausch in Bezug auf Paulas Kolumne ist persönlich an die Autorin möglich an: paulaschreiberin@gmail.com