von Paula Schreiber
Eine Mutter in der Wissenschaft: Doppelstandards beim Doppelzimmer
Teammeeting in der Universität. Die Zusammensetzung der Anwesenden ist wenig überraschend. Sieben forschende Menschen, davon null Professorinnen* (zwei männliche), eine Postdoktorandin (zwei männliche), eine Doktorandin (ein männlicher), eine Sekretärin (null männliche). Fünf zu drei für die Männer, könnte man sagen. Aber das würde verschleiern, worum es hier geht.
Es handelt sich nämlich nicht einfach um einen Kampf der Geschlechter. Wäre das Spiel schlicht Männer gegen Frauen, ja dann, fünf zu drei. Ich wäre versucht, das Verhältnis “beinahe ausgeglichen” zu nennen. Ginge es dabei um die Forschung, dann wäre die Sekretärin vielleicht die Schiedsrichterin, und es stünde fünf zu zwei für die Männer. Das klingt schon deutlich weniger gleich. Aber es geht ja gar nicht um die Forschung – sondern um Privilegien. Genauer gesagt: Es geht um Hotelzimmer.
Was ist das Problem? Wir planen eine Konferenz. Und der Professor weiß, was sich gehört: Menschen, nein, renommierte Forschende, die auf einer Konferenz einen Vortrag halten, bekommen ein Hotelzimmer am Konferenzort, und zwar ein Doppelzimmer für die ggf. begleitenden Ehepartner:innen. Doch die Univerwaltung verweigert die Buchung von Doppelzimmern, sofern nicht beide Menschen, die in diesem Zimmer schlafen wollen, einen Vortrag auf der Konferenz halten. Falls jemand zum Vergnügen eine Begleitung mitbringen möchte, wird die Uni dafür nicht zahlen. Nimmt man unsere Universität als Maßstab, wird es sich bei den potenziellen Begleitungen mit großer Wahrscheinlichkeit um mitreisende Ehefrauen handeln. Und diese sollen nun vernachlässigt werden. Große Empörung seitens des Professors.
Für die Ehefrau des Herrn Professor: Kein Problem
Die Entrüstung des Professors klingt ungefähr so: Das sei kleinlich und unangemessen! Man müsse den Menschen doch etwas bieten! Das Geld sei doch außerdem vorhanden! Internationale Standards! Er kennt es eigentlich nur so! (In Amerika machen das alle!) Was sollen die Gäste denken! – Ich denke: Bestimmt haben die vortragenden Professor:innen genug Geld, um sich bei Bedarf selbst eine zusätzliche Doppelbetthälfte zu finanzieren. Und ich denke: Wie schade, dass erst eine mitreisende Ehepartnerin die Konferenz interessant macht. Es wäre doch schön, wenn es um die Forschung ginge.
Für meinen Mann, damit ich unsere Tochter stillen kann: Nicht drin!
Das Geld durfte, da es sich um eine Dienstreise handelte, nur für mich selbst ausgegeben werden und nicht für mein Kind und meinen Partner.
1:0 für die Bürokratie.
Das hat mich damals extrem wütend gemacht. Aber weil ich nur eine Doktorandin war, gab es zu diesem Thema kein Teammeeting und keinen Aufschrei. Niemand sagte, man müsse mir doch etwas bieten, das Geld sei ja auch vorhanden, man solle nicht so kleinlich sein. Was die Leute gedacht haben, wusste ich nicht, denn außer der Projektkoordinatorin (ebenfalls eine Doktorandin) hat sich überhaupt niemand mit meiner Situation befasst.
Ich war alleine wütend. – Bis ich im Internet zu recherchieren begann und plötzlich auf sehr, sehr viele Frauen stieß, denen es ähnlich ging. Reisekostengesetzgebung schien ein besonders fieser Gegner für die Gleichberechtigung. Überall wurden stillende Mütter und andere Fürsorgende gnadenlos aus dem Feld gedrängt. In fast allen Bundesländern kannte man es nur so: wer sich um kleine Kinder (oder auch andere Angehörige) kümmert, soll das bitte nicht auf Dienstreisen tun. Keine Chance für Auswärtsspiele, sozusagen.
Das Bundesverwaltungsamt stellt auf seiner Website bis heute die vielversprechende Frage “Wie beantrage ich neben den Reisekosten zusätzlich die Erstattung von Betreuungskosten für Kinder und/oder pflegebedürftige Personen?” Die Antwort aber ist ernüchternd: “Sie können Betreuungskosten nicht als notwendige Nebenkosten (§ 10 Absatz 1 BRKG) im Rahmen der Reisekostenerstattung geltend machen.” Es sei aber möglich, beim Dienstherrn oder Arbeitgeber einen gesonderten Antrag zu stellen.
Nun ja. Ich habe bisher von keinem erfolgreichen Antrag dieser Art gehört. An den meisten Arbeitsplätzen geht es ja immer nur um “die Sache” (das Projekt, die Karriere), nicht um private Dinge wie zu betreuende Angehörige. Ich selbst wollte mich ja auch sehr gerne einfach um “die Forschung” kümmern. Stattdessen bin ich damals bei der Konferenz nur zu meinem eigenen Vortrag angereist. Während meine Kolleg:innen ihre Vorträge hielten, diskutierten und netzwerkten, war ich dann schon wieder unterwegs zu meinem Kind.
Keine gute Bilanz.
Gleichberechtigung der anderen Art?
Und nun sitze ich in diesem Teammeeting und kann nicht glauben, dass ausgerechnet die Univerwaltung schafft, was sonst niemandem gelingt: die Gleichstellung von Doktorandin und Professor, von Eltern und Menschen, die ohne Betreuungsverantwortung durch die Welt reisen. Ich denke: Das ist also die Low-Budget-Variante von Gleichstellung. Der einsame Professor bekommt genauso wenig ein Doppelzimmer wie die Doktorandin mit Kind.
Allerdings frage ich mich, wie lange es wohl noch dauern wird, bis die Doktorandin mit Kind sich mit derselben Selbstverständlichkeit darüber empören kann.
Ihre
Paula Schreiber
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Paula Schreiber
Paula Schreiber ist promovierte Geisteswissenschaftlerin und hat eine befristete Stelle in einem Drittmittelprojekt an einer großen Universität in Deutschland. Ihr Mann ist ebenfalls Wissenschaftler. Zusammen haben sie zwei Kinder, die sie gleichberechtigt erziehen. Wenn dann noch Kräfte übrigbleiben, kümmern sie sich zu gleichen Teilen um den gemeinsamen Haushalt und den Rest des Lebens.
Feedback und Austausch in Bezug auf Paulas Kolumne ist persönlich an die Autorin möglich an: paulaschreiberin@gmail.com